Wegen starker Winde aus Südosten, haben wir uns nach dem windigen Platz bei Nosy Hao an den einzigen Ankerplatz in der Umgebung gehängt, der ein wenig Schutz bietet. Hinter die felsige Insel Nosy Hara, nach der der Marine Park benannt ist. Beim ersten Landgang fanden wir auch hier etliche Schildkrötennester vor und ein sehr freundlicher Ranger begrüßte uns. Er sprach sogar ein wenig Englisch und erklärte uns, dass Nosy Hara ein National Park ist und wir daher ein wenig Eintritt zahlen sollten. Außerdem meinte er, es gäbe auf der Insel einiges zu sehen wie zum Beispiel Schlangen, Geckos und ein Chamäleon. Die Insel ist ja nicht sehr groß, aber wir waren gespannt was er uns so zeigen würde.
Am nächsten Tag gingen wir also an Land und nach der Begrüßung in das angrenzende kleine Wäldchen, auf einen gut ausgebauten 750m langen Weg. Der Ranger zeigte uns sogleich die knall-grünen Madagaskar Tag Geckos (Phelsuma grandis), die hier auf den Bäumen zu finden sind. So an die 20 cm groß und wunderschön gefärbt sitzen sie auf den Bäumen und warten auf Beute. Außerdem einen braunen, größeren Gecko, der sich zuerst in einem Astloch versteckte, aber bei unserer zweiten Wanderung gerade aus seinem Bau kam. Es handelt sich um einen Baumgecko, der gut getarnt, gefärbt wie die Rinde der Bäume, auf seine Beute lauert. Sogleich haben wir auch einen zweiten entdeckt. Neben dem Weg konnten wir immer wieder die eine oder andere Schlange entdecken. In den Baumwipfeln tummelten sich vielerlei Vögel, am auffälligsten war ein Paradiesvogel genannt „Flycatcher“ mit langem weißen Schwanz und dunkelblauem Häubchen am Kopf. Es handelt sich um den Madagaskar- oder Rotbrust-Paradiesschnäpper (Terpsiphone mutata). Es ist ein kleiner Vogel mit nur 13 Gramm und zeigt einen extremen Geschlechtsdimorphismus. Die Weibchen sind rostrot, der Kopf oberhalb der Augen ist schwarz und um die Augen haben sie einen kleinen Ring blauer Haut. Bei den Männchen ist der nackte blaue Ring um die Augen breiter und sie haben eine lange weiße Schwanzfeder. Sie kommen mit sowohl weißem als auch rostrotem Gefieder vor und sind auf Madagaskar und den Komoren heimisch. Außerdem entdeckten wir noch den Madagaskar oder Malagasischen Kuckucksvogel (Centropus toulou) in den Baumwipfeln. Er ist aber recht scheu und wollte nicht so recht vor unsere Kameralinse.
Wir waren beeindruckt, was es auf dieser kleinen Insel an verschiedenen Lebewesen zu sehen gibt. Nach einer Weile fragt unser Führer ob wir das Chamäleon sehen wollen. Natürlich wollen wir! Er verschwindet mit einem kleinen Ast bewaffnet im Gebüsch und beginnt am Boden nahe der kleinen Felsbrocken zu suchen. Wir wollen helfen und ich frage nach welcher Größe wir Ausschau halten sollen. Daraufhin zeigt er mir die Spitze seines Fingers und meint ungefähr so groß! Das ist ja winzig klein und wie sich herausstellte ist es das kleinste Chamäleon der Welt - Brookesia micra. Nach einer Weile wurde er fündig und zeigte uns diesen Winzling dessen Körper ausgewachsen kaum mehr als 15 Millimeter misst. Am nächsten Tag haben wir dann sogar selber eines gefunden, nach langer Suche im Unterholz. Gut getarnt sitzen sie unter dem dichten Blätterhaufen am Boden und ernähren sich von kleineren Insekten und Milben die dort leben. Die Weibchen sind hellbraun gefärbt, die Männchen haben eher eine dunkelbraune Grundfärbung. Mit Schwanz messen sie an die 23 bis 29 mm. Wie alle Chamäleons können sie auch teilweise die Farbe ändern, hauptsächlich in verschiedenen Brauntönen aber auch bis hin zu weiß. Laut Erstbeschreibung gilt als typisches Merkmal dieser Art, dass sie die Farbe nicht wechseln können. Wir haben anderes beobachtet. Ein wirklich sensationelles Tierchen, so winzig und dennoch ein richtiges Wirbeltier mit allem was dazu gehört. Es gehört zu den Stummelschwanzchamäleons und ist das kleinste Reptil der Welt. Gefunden wurde es das erste mal 2007 und im Jahre 2012 von Münchner Zoologen beschrieben. Sie leben ausschließlich in den trockenen Laubwäldern auf Nosy Hara, sind hier also endemisch
Außer dem Waldweg gibt es auch einen 3 km langen Wanderweg entlang des Inselrückens über die Tsingy-Formationen. Tsingy werden die Türme aus geschichteten Kalkfelsen genannt, die typisch für Madagaskar sind. Von dort oben hat man einen herrlichen Ausblick über die Bucht und kann die vielen Schildkröten im Wasser beobachten. Man trifft hier auch meistens auf einen der seltensten Greifvögel der Welt, den Madagaskarseeadler (Haliaeetus vociferoides). Sein lautes Geschrei hallt schon frühmorgens über die Bucht. Er ist stark bedroht und es gibt nur mehr an die 120 Brutpaare und insgesamt so an die 360 Individuen. Im Nosy Hara Gebiet haben wir einige Exemplare gesichtet, sowie auch in der Maramba Bay, etwas weiter südlich.
Wer nicht mit dem Boot unterwegs ist, kann sich diese besondere Insel trotzdem ansehen und einige Tage hier verbringen. Es besteht nämlich die Möglichkeit dort zu campen. Der Insel vorgelagert ist ein wunderschönes und endlich wieder mal gesundes Korallenriff, was man sich nicht entgehen lassen sollte.